Nach links. Nicht schon wieder denselben Nachhauseweg gehen, was Neues ausprobieren, ausbrechen, ein klein wenig nur neue Welten entdecken. Die Augen öffnen für das, was ist. Ich fühle mich frei dazu. Eine Freiheit, um die ich in meinem Leben gekämpft habe. Dannzumal, als mir das gemeinsame Arbeiten und Leben mit meiner Frau zu eng wurde. Ich wollte getrennte Arbeitsbereiche, getrennte Arbeitsteams. Dass ich mich dafür einsetzte, dass sie sich darauf einliess, hat mir – und ich glaube, auch unserer Beziehung – gutgetan. Ausbrechen, um zu bleiben. Abstand einfordern. Immer wieder war und bin ich interessiert an Entwicklung, an Eigenstand, an Neuem. Sei es auch nur ein neuer Weg, eine Kleinigkeit.
Mit der Hilfe meiner Frau bin ich auch ausgebrochen aus der von meiner Mutter erhofften Priester-Laufbahn in der katholischen Kirche. Sohn auf ewig. Amen. Es schaudert mich bei diesem Gedanken. Und ich bin heilfroh, dass ich ausgebrochen bin. Sehnsucht nach Wachstum, nach «Ent-Wicklung».
Ich habe mich verändert, bin längst nicht mehr der Mann, als der ich vor dreissig Jahren geheiratet habe. Ich will ausbrechen – nicht, um nie mehr zurückzukehren, sondern um lebendig zu sein und zu bleiben. In Verbundenheit mit meiner Frau. Das ewige Spiel von Nähe und Distanz, von Autonomie und Bindung. Eines braucht das andere. Und vielleicht, ja, muss ich auch ausbrechen aus dem Gedanken, ausbrechen zu müssen, aus der Idee, dass nur das Streben nach Autonomie Eigenstand ermöglicht. Wer weiss.
Autor: Matthias Koller Filliger